Палітычныя рэпрэсіі на Беларусі ў XX стагоддзі Матэрыялы канферэнцыі

Палітычныя рэпрэсіі на Беларусі ў XX стагоддзі

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Памер: 278с.
Мінск 1998
75.92 МБ
Hinsichtlich einer Starkung der Parteikrafte bestand auch 1934 noch AnlaB zur Sorge. Vor allem das Institut fur Geschichte geriet immer wieder unfreiwillig auf die Tagesordnung der ZK-Sitzungen in Minsk, gelegentlich auch iibergeordneter Organe. So muBte die Kulturund Propagandaabteilung des CK KP(b)B ihrer iibergeordneten Moskauer Abteilung im Dezember 1934 von einem weiteren Vorgang „konterrevolutionarer Umtriebe an wissenschaftlichen und Lehreinrichtungen der BSSR” berichten:
„Am 22. Oktober 1934 wurde auf Veranlassung des stellvertrctenden Direktors des IIBelAN, Genossen Scerbakov, der antisowjetische Vortrag des Burgers Prochorov ‘Uber das Vblkslied’ gehalten, in dem sich der Vortragende offen mit einem der Ideologen des weiBrussischen Nationaldemokratismus, Balickij, solidarisierte und die ‘Theorie’ von der Klassenlosigkeit (nadklassovosti) der Musik und von der ‘Dominanz (prevoschodstvach) des russischen Liedes uber die Lieder der anderen Volker’ entwickelte und die These aufstellte, daB die Kommunisten die 207
	Палітычныя рэпрэсіі на Беларусі ў XX стагоддзі	. Entwicklung der Musik behinderten.”9
Das Biiro des ZK reagierte barsch und warf in seiner EntschlieBung vom 14. November den Kommunisten des IIBelAN offene Unterstiitzung des Klassenfeindes vor. Immerhin war Scarbakov bis zu diesem Zeitpunkt als Feis in der Brandung und einzig verliiBlicher unter der Vielzahl zwielichtiger Professoren wahrgenommen worden. Diese „Enttauschung” des ZK sollte dem Autor der ebenfalls 1934 erscheinenden „ersten Geschichte WeiBruBlands auf marxistischer Grundlage” noch lange zu schaffen machen. Da half es auch nicht viel, daB Scarbakov im gleichen Jahr den bislang umfangreichsten Siindenkatalog gegen die Nationalgeschichtsschreibung verfaBte: Diese habe die weiBrussische Geschichte stets als frei von Klassenkampfen dargestellt, als eine einzige Entwicklungsgeschichte des nationalen BewuBtseins des weiBrussischen Volkes, eines „ewig demokratischen Volkes”, das den Volkern des kapitalistischen Westens von jeher verwandt sei. Die Interessen des Volkes wiirden allein durch die Intelligenz verkorpert, ja die Geschichte des weiBrussischen Volkes werde auf die Geschichte seiner Intelligenz reduziert. Die arbeitende Bevolkerung hingegen erscheine in der Perspektive der Nationalhistoriographie lediglich als eine diistere und ungebildete Masse.10 Mit dieser Arbeit hatte der Akademieprofessor das Verdikt gegen die unliebsame Kollegenschaft der zwanziger Jahre gesprochen.
Die Arbeit Scarbakovs zeigte eines deutlich: die groBe Kurskorrektur des Jahres 1934 hatte bislang nicht den erwiinschten personellen und inhaltlichen Richtungswechsel am IIBelAN mit sich gebracht. Zudem nahmen Personal und wissenschaftlicher Ertrag deutlich ab. Seit Mitte der dreiBiger Jahre wurde die Priifung der politischen Situation an den geisteswissenschaftlichen Instituten nicht langer der Selbstkontrolle iiberlassen, sondern vom NKVD (weiBrussisch: Narodny kamitct unutrennych spravaj, NKUS) iibemommen worden. Dieses informierte das ZK regelmaBig uber „Beobachtungen” und die zu unternehinenden MaBnahmen. Die Anschuldigungen wurden dabei immer abstruser. Auch die weitere Wissenschaftspolitik zeigt, daB die Entstehungsgeschichte der Institutionen und ihre Fortentwicklung seit Mitte der zwanziger Jahre immer wieder als Beleg fur die fortdauemde „politische Unzuverlassigkeit” der Intelligenz herangezogen wurde. In seinem Reportan das ZK vom 25. Juni 1938 berichtete der Volkskommissar fur innere Angelegenheiten, Major des NKVD, A. Nasedkin, uber „Skrupellosigkeiten der Mitarbeiter und Schadlingsarbeit innerhalb der AN BSSR”:
„An der Spitze des Inbelkul’t stand 1926 der groBe Agent der 2.
Abteilung des polnischen Hauptstabes, Ignatovskij, der in diesem Institut Spione und andere antisowjetische Elemente zusammenfuhrte und die gesamte Arbeit des Instituts zur Erfullung der Auftrage des polnischen Aufklarungsdienstes in WeiBruBland benutzte. Vom Moment der Umwandlung des Inbelkul’t in die AN BSSR bis in die jiingste Zeit war die AN ein Herd polnischer Spione, Trotzkisten, rechter und Nationalfaschisten, die im Auftrage der polnischen Abwehrorgane aktive Spionage und Schadlingsarbeit an der Akademie durchfiihrten.”"
Die sich anschlieBende Aufzahlung der „beriichtigten Feinde der Sowjetmacht” glich einer Galerie der Verdammten, in die bis 1938 nahezu alle weiBrussischen Historiker und andere Geisteswissenschaftler von Rang verwiesen worden waren. AuBer den beiden Professoren Ihnatolski und Scarbakov, die die langste Zeit politische gegensatzliche Positionen vertreten hatten, fanden sich hier mit Dombal’, Rivlin, Nekrasevic, Zilunovic, Surta und Pankevic leitende Mitarbeiter der verschiedensten Institutionen Akademie, Istpart, Propagandaabteilung des ZK wieder. Neben historiographischen und politischen Abweichungen warf Nasedkin ihnen in seiner Generalabrechnung mit der Akademie vor, „diese Spione (hatten) auch den Nachwuchs behindert”. Die drastische Abnahme der Aspiranturen sollte auf diese Weise eine plausible Rechtfertigung finden. Von 139 Aspiranten des Jahres 1934 waren 1938 nur noch sechs iibriggeblieben. Lediglich siebzehn Dissertation (1935:10,1936:5,1937:2) seien in diesen vier Jahren verteidigt worden. Die Behauptung, dafi „an der Spitze der Institute die Agenten der auslandischen Spionagedienste und Mitglieder antiso wjetischer Organisationen” gestanden hatten, wie Scarbakov, Lebovic (1938 verhaftet) am IIBelAN oder Krasnevski und Zilunovic am Institut fur Literaturwissenschaften, muBte auch fur die Tatsache herhalten, daB am Institut fur Geschichte von 1932 bis 1937 von 97 geplanten Arbeiten nur 10 veroffentlicht werden konnten, wovon noch einmal sieben beschlagnahmt wurden. 1937 konnte nach Angaben Nasedkins der Publikationsplan nur zu 35 Prozent erfullt werden.12
[WeiBrussen -301, Juden — 120, Russen 70, Ukrainer 7, Deutsche 6, Litauer — 6, Letten —3 //Mitarbeiter der AN BSSR nach Nationali-taten (1937)].
Die Statistik des Vbrjahres muBte fur die Partei in der Tat alarmierend sein. Von den 529 Mitarbeitem der AN BSSR, von denen 274 Manner und 255 Frauen waren, gehorten lediglich 21 Prozent der Partei (50) oder dem Komsomol (64) an. Von Moskauer oder Kiever Verhaltnissen konnte also in Minsk ebensowenig die Rede sein wie von einer gleichgeschalteten 209
	Палітычныя рэпрэсіі на Беларусі ў XX стагоддзі	. „Parteiwissenschaft”. Auch sprachen acht Akademiki und 57 Oberassistenten (Starsie naucnye sotrudniki) nicht fiir ein hohes wissenschaftliches Profil der Akademie; die weitaus groBere Mitarbeiterzahl stellten die Assistenten (91), Ingenieure (11) und wissenschaftlichtechnischen Angestellte (342).
Die nationale Zusammensetzung der Mitarbeiterschaft lieB erkennen, daB es zu einer Russifizierung im groBen Stil, etwa durch Moskauer Kaderpolitik via Spezialistentransfer, nicht gekommen war. Tabelle 1 weist die Mehrzahl der Mitarbeiter als WeiBrussen aus.
Was 1930 mit 33 Verhaftungen an der Akademie begann und sich 1933 mit 16 und 1936 mit 15 verhafteten Mitarbeitem fortsetzte, sollte 1937 mit 45 Arrestierungen einen Hohepunkt erleben. Als Nasedkin dem ZK berichtet hatte, daB gegen die Akademie ein „bedeutender Schlag” gefuhrt wurde, reagierte das NKVD mit der zynischen Bemerkung, daB an der Akademie noch mindestens 22 „Anhiinger des antisowjetischen Untergrundes (Trotzkisten, Rechte, Nationalfaschisten und Angehorige auslandischer Abwehrdienste)” tatig seien. Erst als man wenig spater weitere 27 Mitarbeiter verhaftet und zum iiberwiegenden Teil exekutiert hatte, war das ZK iiberzeugt.13 Vbm wissenschaftlichen Potential der Akademie blieb fast nichts mehr ubrig.
Riickblickend begriindete der NKVD-Offizier Nasedkin 1938 die geringen oder „schadlichen” geschichtswissenschaftlichen Resultate mit der Tatsache, daB sich unter den Historikem 1937 nicht ein Parteimitglied finden lieB. Lediglich „eine Reihe konterrevolutionarer Bucher” seien zur Geschichte veroffentlicht worden; genannt wurden die „Geschichte WeiBruBlands” (Scarbakov), „Die alte Kultur WeiBruBlands” (Levdanskij) und „Pokrovskij, als Historiker-Marxist” (Horin).
„Die Schadlingsarbeit am Institut fur Geschichte auBert sich darin, daB im Verlauf der letzten Jahre die Erarbeitung einer wirklichen Geschichte des weiBrussischen Volkes und die Herausgabe von Lehrmaterialien zu dieser Thematik gebremst wurde. [...] An der Spitze des Institutes befanden sich noch immer die entlarvten Mitglieder des antisowjetischen Untergrundes, Horin und Scarbakov. Von ihnen wurde eine antisowjetische Gruppe unter den wissenschaftlichen Mitarbeitem des Instituts fur Geschichte gegriindet. Mit Hilfe dieser Leute haben sie die Erforschung der Geschichte hintertrieben und ihr biirgerlich-nationalistische Theorien von der Eigenstandigkeit des weiBrussischen Volkes und der wirtschaftlichen Hinneigung WeiBruBlands zum Westen untergeschoben. [...] Das Institut sollte ein Lehrbuch fur die mittlere Klassenstufe entwerfen, statt dessen
hat man sich mit Folklore und Ethnographie befaBt. Die entstandene Arbeit tragt daher auch eine nationalistische Farbung ”14
Die Periode zwischen 1936 und 1938 gehorte zu den diistersten Kapiteln der Akademie der Wissenschaften der BSSR. Im Blick auf die Opfer dieser Jahre des Terrors zielten Partei und Sicherheitsapparat nach den Nacdemy nunmehr auf die „Vblksfeinde” (vorahi narodu). Zu diesen wurden 1937/3 8 die Gruppe der angepaBten Enthusiasten der ersten Generation, wie Zilunovic, Horin oder Scarbakov ebenso gerechnet, wie die hohen Parteiund Staatsfunktionare, unter ihnen Hikalo, Zarvjakov, der Vbrsitzende des SAVNARKAM, M.M. Haladzec (in diesem Amt 1927-1937), oder der Volksaufklarungskommissar Dzjakal. Ais sie schlieBlich ihre Pflicht getan und kaum die Erwartungen erfullt hatten, die die Propaganda an ihr fachliches Konnen stellte, war nicht einmal mehr die Partei an ihnen interessiert. Schnell fand sich in den Schriften Kritikwiirdiges, das 1936 zum ParteiausschluB und 1937 zur Verhaftung reichte.